Gemeinschaftsentscheidungen

Grundsätzliches

Ziel einer Entscheidung ist eine Wahl für die, unter den gegebenen Randbedingungen, beste Erfüllung der Bedürfnisse aller betroffenen / beteiligten. In einer Gruppe ist daher gleich zu Beginn möglichst klar zu schauen, wo die Bedürfnisse der einzelnen sind, um sich in dem Entscheidungsprozess darum wohlwollend kümmern zu können.

Gleichzeitig kann es auch eine gute Idee sein einfach mal zu machen (EMM), an Stelle sich in einen möglicherweise längeren Entscheidungsprozess zu begeben. Dabei ist wichtig dies mit einem Bewusstsein zu tun, dass dies gerade die spontan beste Lösung ist, und das sie ggf. auch schief laufen darf. Überhaupt ist eine gute Fehlerkultur ausgesprochen wichtig, um mutiger zu sein, etwas neues auszuprobieren. Läuft dann tatsächlich etwas schief, gilt es sich das anzuschauen, die (Hinter)Gründe dafür aufindig zu machen, und aus der gelernten Erfahrung etwas besseres zu machen 🙂

Wichtig ist auch, dass nicht die oberste Priorität gemeinsames Harmoniererleben ist, sondern das Finden der in dem Moment für möglichst alle besten Lösung. Dazu ist es notwendig das jeder mutig für seine Meinung eintritt, auch wenn sie möglicherweise nicht gern gehört werden sollte. Genauso wie eine gute Fehlerkultur wichtig ist, ist auch eine gute Streitkultur wichtig. Heißt es ist ok wenn Meinungen aneinander prallen und es vielleicht darüber auch mal emotional wird. Wichtig ist dabei halt „nur“ das man den Respekt gegenüber dem anderen immer wahrt. Spätestens wenn sich die Gemüter dann wieder beruhigt haben, sollte es immer möglich sein, sich wieder auf Augenhöhe zu begegnen.

Sofern nicht mal eben eine scheinbar für alle perfekte Lösung gefunden wird, kann es wichtig zu sein die 80/20 Regel im Kopf zu haben. Heißt, wollen wir 80 % mehr Zeit und Energie aufwenden um aus einer 80 % guten Lösung möglicherweise eine 100 % gute Lösung zu ereichen? Oder können die 80 % nicht auch einfach „nur“ gut genug für jetzt sein?

Psychologie der Gruppenarbeit

Wichtig zu lesen sind sicher auch folgende Dokumente über die Psychologie der Gruppenarbeit:

Wer darf mitentscheiden?

Um Entscheidungen effizient treffen zu können, sollten nur Menschen entscheidungsberechtigt sein die:

  1. die Entscheidung persönlich betrifft
  2. sich gut vorbereitet haben (die notwendigen Dokumente gelesen, im Vorfeld die Verständnisfragen geklärt und sich schon erste Gedanken über einen eigenen Standpunkt gemacht haben)

Wer selbst nicht anwesend sein kann, kann einen Stellvertreter benennen. Da Aufgaben und Lösungsfindungen abhängig von der Gruppengröße unterschiedlich gut gelöst werden kann es sinnvoll sein, stellvertretend für die ganze Gruppe eine Arbeitsgruppe einzurichten und zu beauftragen sich um Lösungsmöglichkeiten / eine Lösung zu kümmern, und ggf. auch stellvertretend für die Gruppe eigenverantwortlich zu entscheiden.

Logbuch

Wichtige Entscheidungsprozesse von  mittel- oder langfristiger Bedeutung, werden durch einen Logbuchhüter kurz und knapp dokumentiert:

  • Was sind die Ziele, Vision und Wunsch?
  • Wie? Strategie
  • Herausforderungen? Bedenken, Einwände
  • kurzes und knappes Protokoll der Ergebnisse der Besprechungen
  • Evaluationsergebnis(se)
  • ggf. Entwicklungsplan

(Muster für ein Logbuch erstelle ich noch)

Abstimmungsmöglichkeiten:

Ja
“Ich stehe hinter der Entscheidung und trage die Verantwortung für diese mit.”

Bedenken
“Ich habe Bedenken, trage die Entscheidung aber mit.”

Bedenken sind vermutete Situationen, die auf ein mögliches Risiko des Vorschlags hindeuten. Sie helfen mögliche Risiken aufzudecken, sind aber evtl. Resultat von persönlichen Ideologien und Fehlannahmen. Diese werden gehört und notiert.

Einwand
„Ich habe einen Einwände und kann die Entscheidung in dieser Form in diesem Moment nicht mittragen. Sie widerspricht gemäß meiner Einschätzung unseren Grundwerten oder würde die Erreichung einer unserer Ziele verhindern.”

Sofern es die zeitlichen Rahmenbedingungen zulassen, müssen Einwände vor einer endgültigen Entscheidung gebührend berücksichtigt werden. Gleichzeitig bedeutet einen Einwand einbringen automatisch die Verpflichtung innerhalb von max. 14 Tagen einen überarbeiteten Lösungsvorschlag schriftlich auszuarbeiten,  der eine vermutete bessere Zielerfüllung des ursprünglichen Bedürfnisses beschreibt. Wird dieser Vorschlag unbegründet nicht innerhalb dieser Frist abgegeben, gilt der Einwand als hinfällig.

Bedenken und Einwände sind mit Bezug zu den eigenen Bedürfnissen zu artikulieren.

Enthaltung
nicht Beteiligung an der Entscheidung – nur in Ausnahmen wie z.B. der Wahl der eigenen Person möglich

Hilfsmittel

Schnelle Stimmungsbilder ermöglichen auf einen Blick zu sehen, wie die Gruppe gerade zu einer bestimmten Frage steht. Dabei definiert der Moderator im Vorfeld klar, was “Hände hoch”, “vor der Brust” bzw. “nach unten” bedeutet. Anschließend beschreibt der Moderator das Stimmungsbild zusammenfassend. Oft kann ein Stimmungsbild schon so viel Klarheit bringen, dass ein  langwieriger Abstimmungs- und Entscheidungsprozess überflüssig ist!

Handzeichen sind eine schnelle, nonverbale Möglichkeit der Gruppe eine Information zu geben – ohne den gerade laufenden Prozess zu stören! Falls es sich um ein Handzeichen handelt, das einer verbalen Äußerung bedarf, so kann der Sprecher noch in Ruhe weiterreden, bis er einen guten Punkt befindet, der passend ist auf den Hinweis einzugehen. Gleichzeitig fühlt sich derjenige, der etwas anzumerken hat gesehen und kann, entspannt warten bis auf seinen Hinweis eingegangen wird.

Ein Handzettel für die Handzeichen ist in Arbeit – ein Grafiker zur Unterstützung ist herzlich willkommen!

Aufmerksamkeitsfokussierung ist notwendig wenn in dem Prozess Unklarheiten oder Durcheinander entstanden sind. Hilfreich ist hierbei ein gemeinsamer Moment der Stille, die es jedem ermöglicht wieder bei sich anzukommen und der Frage: „Worum geht es mir gerade im Moment?“.

Um die Aufmerksamkeit der Gruppe außerhalb eines konkreten Gruppenprozesses zu bündeln, ist es hilfreich zu summen. Wenn ein Summen hörbar ist, stimmt jede Person die es wahrnimmt mit ein bis alle individuellen Gespräche beendet sind.

Entscheidungsfindung

Bei einem Entscheidungsprozess sollte zuerst geklärt werden:

  • Bis wann ist eine Entscheidung notwendig?
  • Wie wichtig ist sie für alle Gruppenmitglieder?

Bei der Festlegung des Zeitfenster für die Entscheidungsfindung ist eine Balance zu finden alle Bedürfnisse ausreichend berücksichtigen zu können und der „ewigen“ Suche nach der möglichst optimalen Lösung.

Bezüglich der Wichtigkeit ist eine Balance zwischen Einbeziehung der ganzen Gruppe und eigenverantwortlichem Handeln einzelner Beauftragter zu finden.

Insbesondere in zeitkritischen Situationen wo Handlungsdruck vorliegt, sollte zunächst eine Option gewählt werden, die die Lage stabilisiert und möglichst weitere Zeitreserven bringt. Besonders bei kritischen und umstrittenen Entscheidungen ist zu empfehlen in den Prozess mindestens einen kurzen Stille-Moment des Innehaltens, Loslassens (von der Fixierung auf die eigene Perspektive) und Besinnung auf das Verbindende einzubauen. Dieser Moment kann verhindern dass durch Hektik oder starke Vorannahmen wichtige Punkte oder Perspektiven übersehen werden.

Vorbereitungen

Falls es die Situation ermöglicht, sollte eine Entscheidung möglichst (gut) vorbereitet werden. Möglichst mind. 1 Woche vor einem Treffen sollte an alle Entscheidungsberechtigten versendet sein:

  • Tagesordnung (idealerweise mit Zeitvorgaben, Zeitpuffer und Pausen)
  • kurze Beschreibung und Ziele der zur Entscheidung anstehenden Themen
  • falls nicht bekannt dieser Entscheidungsleitfaden

Für den Fall, dass durch eine Person oder Gruppe ein Lösungsvorschlag im Vorfeld vorbereitet wurde, zusätzlich:

  • Beschreibung des Kontextes, der daraus entstandenen Spannung und des damit verbundenen Bedürfnisses
  • Ggf. weitere Hintergrundinformationen
  • Beschreibung und Erklärung der vorgeschlagenen Lösung(en)
  • Evt. optionale Fragerunde im Voraus

Entscheidungsprozess

Je klarer sich alle Beteiligten bereits im Vorfeld über ihre Bedürfnisse und Ängste in Bezug auf die zu fällende(n) Entscheidung(en) sind, um so klarer und schneller wird auch der Entscheidungsprozess.

Die Moderation sollte jeweils durch einen von der Gruppe gewünschten Moderator erfolgen. Vorteilhaft ist, wenn die Moderation durch einen Menschen ausgeübt wird der möglichst keine emotionale Verbindung mit dem Thema hat, falls doch braucht es die Disziplin sich mit den eigenen Standpunkten zurückzuhalten.

Ablauf mit zuvor ausgearbeitetem Lösungsvorschlag:

  • Vorstellung der erkannten Probleme
  • Vorstellung des(r) gefundenen Ziel(e) (Kontext, Spannung und Bedürfnis)
  • Vorstellung des Lösungsvorschlages
  • Raum für Verständnisfragen
  • mögliche Hinweise / noch nicht beachtete Bedürfnisse / Ergänzungen zur Optimierung der vorgeschlagenen Lösungen

Ablauf ohne ausgearbeiteten Lösungsvorschlag:

  • Definition des Problems ( wo klemmt es, welche Bedürfnisse werden nicht erfüllt)
  • Finden eines gemeinsamen Zieles
  • Sammlung von Ideen zur Lösung
  • Erarbeitung eines oder mehrer Lösungsvorschläge

weiterer Ablauf

  • kurzer Stillemoment (Innehalten, Loslassen, auf das gemeinsame Ziel besinnen)
  • kurze Stimmungsbildabfrage zu der entwickelten Lösung / den Lösungsvorschlägen
  • Abfrage von noch nicht berücksichtigten Optimierungsvorschlägen, Bedenken und Einwänden
  • ggf. Lösung anpassen / verbessern
  • wenn es keine Einwände mehr gibt – Annahme der Vorschlages
  • Feier der gemeinsam erzielten Lösung

Im Idealfall ergibt sich in einen Entscheidungsprozess ein Konsens bei dem  soweit wie möglich die Bedürfnisse aller Betroffenen erfüllt werden. Kann spontan kein Konsens für “die beste Lösung” gefunden werden, gibt es die Möglichkeit:

  • alternativ zu einer “Entweder – Oder” eine “Sowohl – als auch” Lösung zu finden oder
  • sich auf eine Lösung zu einigen die:
    • gut genug für jetzt
    • sicher genug um sie auszuprobieren
    • noch in unserem Toleranzbereich unserer Werte ist

In jedem Fall ist wichtig auf die Balance zwischen dem zeitlichen und energetischen Aufwand zur Wichtigkeit der Entscheidung zu achten.

Wenn sich der Entscheidungsprozess im Kreis dreht und oder Spannungen aufkommen kann es sehr hilfreich sein aus dem eigentlichen Prozess für einen Moment auszusteigen und einen neuen Raum aufzumachen. Hierbei kann jeder kurz mitteilen wie es ihm gerade geht und was sein momentanes Anliegen ist. Wichtig ist, dass hierbei NICHT diskutiert wird, sondern alles wertfrei so stehen bleibt.

Für den Fall das bei dem jeweiligen Treffen keine Gemeinschaftsentscheidung möglich ist, verpflichten sich die Menschen die weiter an einen Einwand festhalten, innerhalb von max. 14 Tagen einen überarbeiteten Lösungsvorschlag vorzulegen. Wird dieser Vorschlag unbegründet nicht innerhalb dieser Frist abgegeben, gilt der Einwand als hinfällig und die Entscheidung als angenommen!

Umsetzung

Jede Entscheidung braucht (einen) Menschen, der / die sich um die Umsetzung der Entscheidung bis zu dem festgelegten Zeitpunkt kümmert und aktiv darüber informiert! Dies muss spätestens bei der nächsten Zusammenkunft erfolgen, besser spätestens mit der Einladung zur nächsten Zusammenkunft.

Evaluierung

Eine Entscheidung enthält auch ein Evaluationsdatum/frequenz und Evaluationskriterien, um deren Einhaltung sich der Logbuchhüter kümmert. Die Evaluation kann neben der Gesamtgruppe auch von einem Arbeitskreis  durchgeführt werden, die direkt mit den Auswirkungen zu tun haben. Es ist auch eine schnelle Analyse mit dem Ergebnis „alles gut“ – ohne differenzierte Betrachtung möglich. Bei einer ausführlichen Evaluation ist folgende Vorgehensweise empfehlenswert:

  1. Wertschätzung – Was ist gut gelaufen?
  2. ggf. Gründe für eine mögliche Nicht-Umsetzung?
  3. Sammlung von Verbesserungsvorschlägen (ggf. unter Berücksichtigung der ursprünglichen Bedenken)
    • Strategieveränderung – Anpassung von Verhalten und Aktionen
    • Nötige Entwicklung von Fähigkeiten, Wissen, Erfahrungen
    • Wo kann die Effektivität verbessert werden?
    • Veränderung von Rollen-/Team-Verantwortungsbereichen
    • ggf. auch Veränderung / Neudefinition des ursprünglichen Zieles
  4. ggf. Erstellung eines Entwicklungsplanentwurfes